Dankeschön
Es geht mal weiter hier. Sorry, dass es solange gedauert hat.
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Kapitel 2BellaDer Unterricht verging viel zu langsam und nachdem endlich die Schulglocke erklang, atmete ich erleichtert aus. Noch nie zuvor waren mir die ersten beiden Stunden so lange vorgekommen. Meistens gab es zwischendurch immer etwas zu tun, sodass ich nicht unnötig an meinem Pult herumsitzen musste. Doch heute konnte ich mich auf nichts anderes konzentrieren, als auf meine zwei neuen Schüler. Wie zwei perfekt gemeißelte Staturen saßen sie auf ihren Plätzen und starrten ins Leere. Hin und wieder widmeten sie sich ihren Aufgaben, aber dann – in einem ganz entscheidenden Moment – veränderten sich wieder ihre Gesichtsausdrücke. Wenn Alice einen mahnenden Blick aufsetzte, wirkte Edward noch ernster als er ohnehin schon aussah. Als ob sie miteinander kommunizieren.
Ich schüttelte vernehmend den Kopf. In dieser Entfernung war es unmöglich miteinander zu reden und wenn Alice etwas gesagt hätte, dann hätte ich es auf jeden Fall mitbekommen.
„Mrs. Black?“ Ich sah von meinen Unterlagen auf und entdeckte Alice, die in einer perfekten Haltung vor mir stand. Ich hatte überhaupt nicht bemerkt, dass sie von ihrem Platz aufgestanden war. Neben ihr befand sich Edward, der immer wieder einen nervösen Blick zur Tür warf.
„Ja?“
„Wir würden gerne kurz etwas mit Ihnen besprechen“, entgegnete sie mit ihrer wunderschön melodischen Stimme. Mir blieb für einen kurzen Moment die Luft weg. Selbst wenn ich für dieses Gespräch keine Zeit gehabt hätte, wäre ich vermutlich trotzdem darauf eingegangen. Diesen beiden Geschwistern konnte man scheinbar nichts abschlagen und das machte mir ein wenig Angst. Sie gehörten immerhin zu meinen Schülern und nicht zu meinen engsten Freunden. Ich musste schlucken.
„Was gibt’s?“
„Die ersten beiden Unterrichtsstunden mit Ihnen haben uns wirklich sehr gut gefallen und wir wissen es wirklich zu schätzen, dass Ihre Schule uns so bereitwillig aufgenommen hat, dennoch wollten wir fragen, ob es vielleicht möglich wäre, dass man uns in die Klasse von Mr. Newton verlegt? Selbstverständlich würden unsere beiden anderen Geschwister dann zu Ihnen in den Unterricht kommen.“ Obwohl sie dies in einem freundlichen, fast schon überheblichen Ton gesagt hatte, spürte ich plötzlich einen aufkommenden Zorn in mir. Noch nie zuvor hatte es jemanden gegeben, der freiwillig in Mikes Klasse wechseln wollte.
Sie müssen mich ja ganz schön schrecklich finden.
Meine Finger krallten sich in die Unterlagen.
„Ich werde sehen, was sich machen lässt... aber natürlich kann ich nichts versprechen“, sagte ich schließlich, woraufhin Alice verständnisvoll nickte.
„Wir wären Ihnen wirklich sehr dankbar dafür. Rosalie und Emmett werden Ihnen keine Schwierigkeiten bereiten.“
„Wa-warum wollt ihr eigentlich wechseln?“, brachte ich auf einmal hervor. Ich brauchte unbedingt eine Antwort darauf, auch wenn ich mir sicher war, dass sie mir nicht die Wahrheit erzählen würden. Edward mochte mich nicht sonderlich, das konnte ich an seinem Blick erkennen. Noch immer sah er aus, als würde er jeden Augenblick einen Wutanfall bekommen. Schön und dennoch gefährlich.
„Ich denke nicht, dass Sie das etwas angeht. Komm Alice, wir gehen!“ Zum ersten Mal meldete er sich zu Wort und obwohl seine Stimme hasserfüllt klingen müsste, hörte es sich an wie ein überaus schönes Glockenspiel.
„Tut mir wirklich leid, aber das hat nichts mit Ihnen zu tun. Rosalie und Emmett kommen scheinbar nicht mit Mr. Newton zurecht und ich denke, dass die beiden in Ihrer Klasse besser aufgehoben wären“, beteuerte Alice und auch wenn ich mir sicher war, dass sie log, wirkte sie trotzdem ein wenig schuldbewusst.
„Ist schon in Ordnung“, murmelte ich etwas verlegen, während sich mein Zorn langsam wieder in Luft aufzulösen schien.
„Alice!“ Edwards liebliche Stimme hatte sich plötzlich schlagartig verändert. Jetzt hörten sich sich seine Worte so mahnend an, dass mir ein Schauer über den Rücken lief. „Komm bitte!“
„Ich hoffe, du verzeihst mir“, fügte Alice noch hinzu, ehe sie ihren Bruder hinaus auf den Flur folgte. Nun stand ich ganz allein im Klassenraum, umgeben von meinen zerdrückten Unterlagen, die ich alle noch einmal erneuern müsste.
„So ein Mist!“, fluchte ich. Was ist nur los mit mir?
Ich ließ mich auf den Stuhl nieder und dachte über das soeben Geschehene nach.
Es war so offensichtlich gewesen, dass Alice nicht die Wahrheit gesagt hatte.
Außerdem – fiel mir plötzlich ein – sie weiß doch gar nicht, ob es ihren Geschwistern nicht doch in Mikes Unterricht gefallen hat. Sie haben in den letzten zwei Stunden überhaupt nicht miteinander gesprochen.
Schon wieder verspürte ich einen leichten Zorn in meiner Brust. Ich mochte es nicht, wenn man mich für dumm verkaufte. Vielleicht war ich das früher einmal gewesen – dumm und naiv – aber jetzt nicht mehr! Ich würde schon noch herausfinden, warum die beiden meine Klasse verlassen wollten. Und ich war mir sicher, dass dies etwas mit Edward zu tun hatte. Seine Blicke, sein Verhalten, irgendwas hatte er zu verbergen...
Widerwillig sammelte ich schließlich meine Unterlagen ein. Gleich würden die nächsten Stunden beginnen und ich war froh, nicht in dieser, sondern in einer ganz anderen normalen Klasse zu unterrichten.
Edward„Du hättest sie nicht so anfahren sollen“, schnaubte Alice, als wir die überfüllte Cafeteria betraten. An dem hintersten Tisch saßen schon Emmett und Rosalie, die gespannt auf uns warteten. Wie mich das nervte.
„Hey, ihr beiden.“ Rosalie setzte ihr perfektes Lächeln auf, während Emmett mir freundschaftlich auf die Schulter klopfte.
„Wie waren eure ersten beiden Unterrichtsstunden? Schon potenzielle Opfer gefunden?“ Er begann lautstark zu lachen und auch wenn es nur Spaß war, machte es mich in diesem Moment wütend. Diese Lehrerin Bella hatte mich total aus dem Konzept gebracht und ich wusste immer noch nicht, woran das lag. Jahrelang hatte ich jedem Menschen widerstehen können, egal ob es um das Blut oder die Leidenschaft ging, doch bei ihr schien sich plötzlich alles schlagartig zu ändern.
Das musste verhindert werden!
„Na ja...“, seufzte Alice schließlich und fuhr dann ungehindert fort, „es gab tatsächlich ein paar Probleme. Allerdings nicht mit den Schülern.“
„Sondern?“ Emmett schien neugierig geworden zu sein und beugte sich deshalb weit über den Tisch, um Alice mehr Aufmerksamkeit zu schenken.
Ich verdrehte die Augen. Das war so schwachsinnig, denn selbst wenn er in der anderen Ecke des Raumes gestanden hätte, hätte er sie hören können. Unser feines Gehör gehörte zu einen der vielen Vorteile des Vampirdaseins. Und dennoch – ich würde mich nie freiwillig dafür entscheiden! Lediglich das Schicksal hatte mich dazu gezwungen, dieses außergewöhnliche Leben anzunehmen.
„Mit der Lehrerin“, beendete Alice ihren Satz und ließ damit Raum für weitere Fragen.
„Das verstehe ich nicht“, gab Rosalie zu und ihre vollkommenen Lippen verzogen sich zu einem Schmollmund. Sie konnte es nicht leiden, wenn man ihr etwas vorenthielt.
„Edward kann ihre Gedanken nicht lesen.“
„Ich bin mir nicht ganz sicher, Alice. Vielleicht lag das auch einfach nur an den vielen Eindrücken“, mischte ich mich zum ersten Mal ein, auch wenn ich an diese Theorie selbst nicht glaubte. So etwas war mir noch nie passiert!
„Ich weiß nicht“, gab sie nach einer Weile des Schweigens zu.
„Das klingt schon ziemlich abgefahren. Scheint so, als würde diese Schule doch noch zu etwas Interessantem werden.“ Emmett lehnte sich gelassen in seinem Stuhl zurück und beobachtete die vorbeilaufenden Schüler. Jeder von ihnen warf uns einen kurzen Blick zu, nur, um im selben Moment wieder wegzuschauen. Trotz unserer starken Anziehungskraft, wirkten wir bedrohlich auf die Menschen. Keiner von ihnen wollte je etwas mit uns zu tun haben und das war auch gut so! Wir wollten keine Gefahr für sie darstellen. Bella sollte nicht jeden Tag dem Tod ausgesetzt sein. Ich wollte sie vor mir schützen, also sagte ich schließlich: „Wir werden die Klassen wechseln müssen. Könnten Alice und ich mit euch tauschen?“
Rosalie und Emmet wechselten kurze präzise Blicke aus und nickten dann. „Wenn es besser für dich ist, sind wir natürlich einverstanden.“
„Vielen Dank“, murmelte ich und für den Rest der Pause widmete ich mich den Gedanken der anderen Menschen. Es beruhigte mich, ihre belanglosen Probleme zu hören und zu wissen, wie wenig sie die Welt um sich herum eigentlich kannten.
BellaAls ich am Abend das Haus betrat, war Jacob noch immer auf der Arbeit. Es gab nur selten einen Tag, an dem er pünktlich nach Hause kam. Natürlich verstand ich es, schließlich war er hier in Forks – neben meinem Vater – ein angesagter Polizist, aber dennoch hätte ich ihn gerne öfter an meiner Seite gehabt. Gerade nach dem heutigen Stress in der Schule brauchte ich etwas Entspannung.
Es ist immer dasselbe.
Ich stieg die Treppe hoch, die mich auf unser Zimmer brachte und legte mich auf das große gemütliche Bett. Meine Gedanken drifteten wieder zu Edward und seiner Schwester. Noch immer verstand ich nicht, warum sie gleich am ersten Tag meinen Unterricht verlassen wollten. Natürlich war ich keine Autoritätsperson wie Mike, trotzdem verdiente ich ein bisschen Respekt. Doch konnte ich diesen von solch wunderbaren Wesen überhaupt verlangen? Wesen das war genau die richtige Bezeichnung für die beiden. Es schien, als würden sie nicht von dieser Welt stammen.
Das bildest du dir nur ein. Ich schüttelte vernehmend meinen Kopf. Sonst machte ich mir doch auch keine großen Gedanken um meine Schüler, zumindest nicht auf diese Art und Weise.
Um mich ein wenig abzulenken griff ich nach dem Buch auf meinem Nachtschrank. Es handelte sich um einen Roman, den ich schon ein Dutzend Mal gelesen hatte. Jacob fand es immer erstaunlich witzig, wenn ich das Buch erneut zu lesen begann. Ich vermisste ihn, denn meistens kam er erst dann nach Hause, wenn ich bereits schlief.
Mein Jacob.